Texte für komplexe Produkte – verständlich, klar, stark
Komplexe Produkte textlich auf den Punkt zu bringen, ist eine echte Königsdisziplin.
Denn hier geht es nicht um Werbegeplänkel oder wohlklingende Phrasen – sondern darum, Inhalte zu vermitteln, die selbst Fachleute manchmal zweimal lesen müssen. Und genau deshalb bist Du als Texter:in gefragt: Du bist die Brücke zwischen Spezialwissen und echter Verständlichkeit.
Ob Software, Maschinenbau oder Prozesslösungen: Je technischer ein Produkt ist, desto größer ist oft die sprachliche Kluft zwischen Entwickler:innen und Endkund:innen. Die Fachabteilung liefert komplexe Formulierungen, abstrakte Prozesse, Akronyme und Spezialbegriffe – und Du sollst daraus einen verständlichen, überzeugenden Text machen.
Genau darum geht es in diesem Artikel:
Wie bringst Du komplexe Inhalte in klare Sprache – ohne sie zu banalisieren? Welche Techniken helfen Dir, Fachchinesisch zu entschlüsseln? Und wie erklärst Du Dinge, die selbst die Entwickler kaum in Worte fassen können?
Du bekommst hier konkrete Beispiele, Rewrite-Vergleiche und eine Toolbox für Deinen Texter-Werkzeugkasten.
Inhalt
- 1. Typische Textfalle: Fachchinesisch erkennen
- 2. Rewrite mit Kommentar
- 3. Mini-Fallbeispiel: Ein reales Briefing
- 4. Drei Techniken für mehr Verständlichkeit
- 5. Fazit & Klartext-Check
1. Typische Textfalle: Fachchinesisch erkennen
Originaltext (fiktives Beispiel: B2B-Software für Prozessautomatisierung):
„Die modulare Systemarchitektur ermöglicht es dem Anwender, workflowspezifische Prozessketten über konfigurierbare Schnittstellen zu orchestrieren und in bestehende IT-Infrastrukturen zu integrieren.“
Probleme:
- Unklare Subjekte: Wer macht hier eigentlich was?
- Abstrakte Begriffe ohne Kontext
- Kein erkennbarer Nutzen für die Zielgruppe
- Zu lang, zu technisch, zu unkonkret
2. Rewrite mit Kommentar
Überarbeitete Version:
„Mit unserer Software automatisierst Du wiederkehrende Abläufe – ganz ohne Programmierung. Du passt sie flexibel an Deine Prozesse an und verbindest sie mit Deinen bestehenden Systemen.“
Warum das besser wirkt:
- Kundennutzen zuerst: „automatisierst Du wiederkehrende Abläufe“ spricht direkt ein Problem an.
- Klarheit: „ohne Programmierung“ löst mögliche Sorgen aus der Zielgruppe.
- Alltagssprache: „bestehende Systeme“ ist nachvollziehbar, „IT-Infrastruktur“ nicht.
3. Mini-Fallbeispiel: Ein reales Briefing
Ausgangslage:
Du bekommst ein Texterbriefing von einem mittelständischen Softwareanbieter. Es geht um ein neues Analyse-Tool für Produktionsdaten. Das Briefing klingt so:
„Das Modul generiert aus sensorgestützten Echtzeitdaten eine zustandsbasierte Prognosematrix auf Maschinenebene, die in die ERP-Logik überführt werden kann.“
Was machst Du daraus?
Textidee für Website:
„Unsere Software erkennt frühzeitig, wenn Maschinen Störungen entwickeln – auf Basis von Echtzeitdaten. So kannst Du Ausfälle vermeiden und die Produktion stabil halten.“
Textidee für LinkedIn:
„Maschine droht Stillstand? Unser Tool erkennt’s, bevor’s passiert – mit Echtzeitdaten direkt aus der Produktion.“
Lektion:
Du musst wissen, was das Produkt wirklich macht – und was es dem Kunden bringt. Dann kannst Du eine Geschichte erzählen, statt nur Funktionen aufzuzählen.
4. Drei Techniken für mehr Verständlichkeit
1. Vom Produkt zum Nutzen denken
Frage nicht: „Was kann das Produkt?“ – sondern: „Was ändert sich für den Kunden?“
Beispiel:
❌ „Die Anwendung visualisiert komplexe Prozesskennzahlen in Echtzeit.“
✅ „Du siehst sofort, was in Deiner Produktion passiert – und wo Du eingreifen musst.“
2. Verben statt Substantive
Verben treiben den Text voran. Substantivierungen lähmen ihn oft.
Beispiel:
❌ „Zur Durchführung der Systemoptimierung ist eine Rückmeldung der Anwender erforderlich.“
✅ „Damit wir das System verbessern können, brauchen wir Dein Feedback.“
3. Bilder sprechen lassen – auch im Kopf
Wenn der Inhalt schwer greifbar ist, hilft ein Vergleich.
Beispiel:
„Unsere Plattform funktioniert wie ein digitales Cockpit: Du steuerst Deine Prozesse zentral, übersichtlich und in Echtzeit.“
5. Fazit & Klartext-Check
Komplexe Produkte zu erklären, ist kein Bonus – es ist Business. Wer als Texter:in diese Aufgabe meistert, wird zur Schnittstelle zwischen Produktentwicklung und Vertrieb. Du bringst Nutzen auf den Punkt, machst Technologie begreifbar und sprichst die Sprache der Zielgruppe. Und genau deshalb wirst Du gebraucht.
Verabschiede Dich von der Idee, dass „einfach“ gleich „oberflächlich“ ist. Gute Texte für schwierige Themen sind klar – aber nicht flach. Und sie treffen ins Schwarze, weil sie verstanden werden.
Merke: Ein verständlicher Text verkauft kein Produkt – er öffnet den Raum dafür, dass der Kunde es verstehen will.
Checkliste: Ist mein Text verständlich?
- Spricht der Text zuerst den Nutzen an – nicht das Feature?
- Gibt es klare, aktive Verben statt Nominal-Konstruktionen?
- Könnte ich den Text einem Laien erklären – ohne rot zu werden?